Marion Kerns-Röbbert - Auf der Jagd nach Entgrenzung
1955 in Leipzig geboren und aufgewachsen, besuchte Marion Kerns-Röbbert die dortige Hochschule für Grafik und Buchkunst sowie ein Meisterstudium für Reprotechnik. Als Grafikerin arbeitete sie an der DHfK Leipzig und wählte 1991 ihren neuen Lebensmittelpunkt im Raum Hannover. Dort studierte sie an der Freien Akademie der Bildenden Kunst, der ABK, Freie Malerei. Seit 2006 betreibt sie ihr eigenes Atelier, seit 2012 mit Sitz in Hemmingen. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland.
Geprägt durch ihre druckgrafischen Studien forscht Marion Kerns-Röbbert nach neuen Ausdrucksformen und findet sie in Kombinationen von Grafik, Druckgrafik, Collage und expressiver Malerei durchsetzt mit Kalligrafie. Sie stellt sich der Herausforderung neue Synthesen zwischen den unterschiedlichen Techniken zu entwickeln und stetig zu verfeinern. Ihre Bildsprache ist in der Malerei konkret-figurativ und explosiv, mit einem zentrierten Lebensbezug und im grafischen Bereich figurativ-abstrahierend. Ihr Repertoire umfasst Intaglio-Aquatinta-Radierungen, experimentelle Druckformen, Zeichnungen, Acryl- und Ölmalerei, Assemblagen und die Erstellung von Leporellos und hochwertig gefertigten Kunstbüchern in unterschiedlichen Formaten.
Im Fokus befassen sich die Darstellungen intensiv mit den Themen Mensch, Tier und Natur, wobei Zwischenformen – Tiermenschen – eine häufig eingesetzte Symbolik sind. Umgebungen und Landschaften sind von diesen Mischwesen besiedelt und führen dort ein verschlüsseltes Eigenleben, das von Widerständen und in Fragestellungen kündet. In zahlreichen Werkserien, die Themenkomplexen zugeordnet werden können, erfindet die Künstlerin bildhaft-assoziative Kurzgeschichten, die wie eine Flut an Informationen und Details aus den Werken quellen. Die Betrachtung der (eigenen) DDR-Vergangenheit findet hier eine dezidierte Abrechnung mit einem System, dass die Unterdrückung des Menschen zum Inhalt hatte. Oft werden systemkritische Situationen mithilfe der Tiermenschen persifliert und in einer Überhöhung zur Schau gestellt. Der Sprachlosigkeit und Beißhemmung eines ganzen Volkes wird nun Sprache und Ausdruck verliehen, indem Gegenwart und Vergangenheit miteinander verschmelzen. Der Mundschutz, die Gasmaske, der Maulkorb sind die symbolischen Elemente die besagen, dass ungesagtes nicht länger verschwiegen bleiben soll.
Immer wieder tauchen Schriftelemente auf, die den Betrachter in den Bann ziehen, teilweise leserlich, teilweise unleserlich als Geheimschriften und Codierungen angelegt, der eigenen Interpretation überlassen. In diesem Spannungsfeld konkret versus unkonkret jagt Kerns-Röbbert nach immer neuen Entgrenzungen ihres eigenen Schaffens und ihrer Ausdrucksformen, die sich manchmal als formal klar und überschaubar zeigen und zu anderen Zeiten eine dicht gedrängte Vielfalt an Farben, Formen und Figuren aufweisen. Und diese Figuren – von naiv liebreizend bis ziemlich bösartig – haben uns viel zu sagen! Sie sind oftmals ein messerscharfes politisches Statement zum Zustand dieser Welt.
© Kerstin Eberhard, Graz 2013. Der Text darf in ganzer Länge und in Auszügen nur unter Nennung der Autorin verwendet werden.